Der Patchday ist tot – es lebe der Patchday!

15. September 2016

Der Windows-Patchday stellt seit Jahren eine Institution dar: Zuverlässig jeden zweiten Dienstag im Monat brachte Microsoft eine Reihe von Verbesserungen, Hotfixes, Erweiterungen oder Patches heraus. Sehr zur Freude der Systembetreuer – endlich ist das liebgewonnene Windows-Betriebssystem wieder ein Stück sicherer geworden, wenn alles geklappt hat. Aber auch die Anwender und Mitarbeiter in den Unternehmen kamen in der Vergangenheit in den Genuss der (meist langwierigen) Upgrade-Vorgänge. Besonders langsame Rechner, die mit „rotierenden“ Festplatten ausgestattet waren, sorgten für ein (teilweise) stundenlanges, gesellschaftliches Ereignis.

Flüche über die „blöden“ Windows-Updates waren aus der Riege der fleißigen Arbeiter zu hören, die sich nichts sehnlicher wünschten, als endlich wieder ihre E-Mails und Kalendereinträge zu checken. Nur noch ein Windows-Neustart und den Hinweis „Update 13 von 98 wird installiert“ von ihrem geliebten Outlook entfernt, warteten diese produktiven Mitarbeiter brav vor ihrem Bildschirmen.

Auf der anderen Seite sammelten sich die „lässigeren“ Arbeitnehmer in kleineren Grüppchen vor den neuralgischen Zentren der Unternehmensabteilungen: Kaffeemaschine, Toilette, Wasserspender und Aschenbecher. Soll diese glorreiche Zeit nun ihr Ende gefunden haben? Sorgten doch schon die Systembetreuer in der letzten Zeit für Unmut, als die mechanischen Festplatten aus den Systemen entfernt, und gegen Solid State Disks getauscht wurden. Die Installationsdauer der monatlichen Windows-Patches schrumpfte ja auf diese Weise auf ein Minimum zusammen. Meist entkamen die Mitarbeiter nur für eine ZE (Zigaretten-Einheit) ihren Folterstühlen (ergonomische Bürositzgelegenheit, Anm. der Redaktion). Und nun auch diese Hiobsbotschaft: Der Patchday ist tot!

Doch noch ist Hoffnung in den Herzen der Mitarbeiter vorhanden. Denn Microsoft möchte den Patchday nicht komplett abschaffen, sondern genau genommen nur verändern. Und das könnte sich durchaus zum Vorteil für die Mitarbeiter entwickeln. Was hat Microsoft sich dabei nur gedacht? Für die korrekte Antwort muss man etwas weiter ausholen:

Bereits seit einiger Zeit werden die verfügbaren Einzel-Patches gebündelt, und den Windows-10-Systemen als komplettes Paket „untergeschoben“. Während die Systembetreuer bisher bei den vorangegangenen Windows-Versionen (Windows 7, Windows 8.1) noch wählen konnten, welche der Patches sie installieren möchten, ist dies bereits seit Windows 10 nicht mehr möglich. Dabei wäre diese Art der Selbstbestimmung aus Sicht der Systembetreuer durchaus wichtig, etwa weil Probleme mit diesen Komponenten in Verbindung mit bestimmten Hard- oder Softwarekombinationen bekannt geworden sind. So könnte es sinnvoll sein, die problematischen Komponenten NICHT aufzuspielen, um die Stabilität der Unternehmens-IT  zu gewährleisten.

Nun soll diese Art des „Rundumsorglos-Patch-Pakets“ ab sofort nicht nur für Windows-10-Systeme gelten, sondern auch für die Client-Vorgängerversionen. Zudem weitet Microsoft dieses Vorgehen auch auf die Server-Betriebssysteme aus. Somit können die Systembetreuer entweder alle in diesen Rollup-Paketen enthaltenen Patches aufspielen, oder auf diese komplett verzichten.

„Langsam reiten, Cowboy!“

Der Vorteil liegt dabei auf der Hand, schließlich weisen so alle Systeme einen (beinahe) identischen Zustand auf. Gut wenn die Server und Clients einwandfrei funktionieren. Schlecht falls die Systeme reihenweise ausfallen. Aber der Microsoft-Support wird deutlich vereinfacht. Anstatt nun mühsam zu analysieren, welcher Patch für die Probleme verantwortlich ist, kann einfach das gesamte Update rückgängig gemacht werden. Und das mit einem einzigen Klick. Noch nie war es so einfach, fehlerhafte Patches wieder (komplett) loszuwerden. Aber leider ist hier auch schon die Einschränkung zu hören: Teilweise werden wohl doch noch einzelne Software-Komponenten zur Installation „freigegeben“. Etwa Sicherheits-Updates für „Flash“ oder „.NET-Komponenten“.

Um auf die Vorteile für die Anwender zurückzukommen: Dank dieser Komplettpakete steigt die Patch-Dauer voraussichtlich wieder an. Vielleicht verhilft das dem allseits geliebten Patchday wieder zu altem Glanz? Endlich können sich die Mitarbeiter wieder darauf verlassen, dass die Systeme nach dem Update-Marathon wieder in einer Endlosschleife „hängen“ – während die Systembetreuer verzweifelt versuchen, den (Arbeits-) Tag noch irgendwie zu retten. Denn zur großen Anzahl an defekten Clients fallen nun auch noch die Server dank des „Rundum-Sorglos-Spezial-Updates-für-Cortana“ aus.

Positiv für Gesellschaft und die Wirtschaft: Der Absatz von grobem Hanfseil dürfte schwindelerregende Höhen erreichen. Importe von Kaffeebohnen werden unweigerlich steigen, ebenso kann sich die Gesellschaft schon einmal auf höhere Steuereinnahmen aus dem gesteigerten Tabak-Konsum während der Down-Zeiten freuen. Schließlich lassen sich monatlich bei geschätzten 6 Stunden Systemausfall in Bezug auf 40 Millionen Arbeitnehmer in etwa vier Milliarden Zigaretten oder Tassen Kaffee verbrauchen. Überschlagsmäßig könnte dies zu Steuermehreinnahmen von bis zu 800 Millionen Euro pro Jahr führen.

Florian Huttenloher

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