Windows 10 bringt das Aus für das Media Center
5. Mai 2015Microsoft hat das Ende des Media Centers ab Windows 10 bestätigt, und schon geht die Suche nach passenden Alternativen los. Dabei stehen einfache Implementierung, eine hohe Funktionalität und vor allem eine einfache Usability für die Anwender im Fokus. Neben TV-Funktionen, Abspielmöglichkeiten für Musik- und Video-Dateien sind oftmals auch zusätzliche Features beim Endanwender gefragt. Etwa falls PowerPoint-Präsentationen von den Mitarbeitern per Smartphone gestartet werden sollen, Wettervorhersagen oder der Inhalt von Mediatheken abgerufen werden soll. Das NT4ADMINS-Team hat einige der verfügbaren Drittanbieter-Programme unter die Lupe genommen.
Nicht nur für Privatanwender, ambitionierte Film-Fans oder Musikliebhaber haben Interesse an einem komfortablen Programm für ihre Dateisammlungen, Video-Streams oder Online-Radioprogramme. Auch in den Unternehmen kommen multimediale Inhalte zum Einsatz. Damit ist jetzt nicht der Livestream einer Mittelalter-Fantasy-Folge während der Mittagspause gemeint. Vielmehr handelt es sich dabei um Präsentationen, Werbematerial, Videos zu Demonstrationszwecken oder Produktunterlagen, die in Meetings und Schulungen zum Einsatz kommen.
Grundliegend unterscheiden sich die Anforderungen von privaten und geschäftlichen Media-Center-Programmen nicht sonderlich voneinander. In beiden Bereichen sind effiziente Methoden gefragt, um Multimedia-Inhalte einem Publikum zu präsentieren. Intuitive Bedienkonzepte sowie Netzwerkfähigkeiten der Anwendersoftware sind stehen ebenfalls im Vordergrund. Ein aktuelles Einsatzszenario im Unternehmen stellt beispielsweise folgende Anforderungen:
Auf den großem Display im Präsentationsraum des Unternehmens soll im Hintergrund das firmeninterne Werbevideo in einer Dauerschleife (ohne Ton) abgespielt werden. Bei Bedarf starten die Anwender über ein beliebiges Endgerät (Fernbedienung des Displays, eines Smartphones, oder eines Tablets) die benötigten Anwendungen (Webbrowser, Anwendungssoftware), um eine Produkt-Demonstration, ein Team-Meeting, oder eine Präsentation multimedial zu begleiten. Falls nötig sollten sich weitere Mitarbeiter in die Präsentation einklinken können, um beispielsweise Ergebnisse anhand einer Powerpoint-Präsentation zu verdeutlichen. Danach wechselt die Präsentationsfolie und das Logo des Unternehmens soll dauerhaft zu sehen sein.
Klassische Abspielgeräte sind nicht immer eine Alternative
Bei solch einer Anforderung kommen manche Abspielgeräte (BD/DVD-Player, Smart-TV, klassischer Desktop/Notebook) oft an ihre Grenzen. Oft sind bestimmte Funktionen nicht verfügbar (Powerpoint auf dem Smart-TV), die zur Verfügung stehenden Eingabemethoden sind alles andere als praktisch (Maus/Tastatur beim Desktop), oder die Vernetzung mit weiteren
Geräten (Tablet/Smartphone) sind zu umständlich oder nicht im gewünschten Maße realisierbar. Abhilfe schaffen Windows-basierte Systeme mit einem optimierten Frontend oder eine Multimedia-Suite, die sich per Smartphone, Tablet oder Fernbedienung intuitiv steuern lassen. Denn oftmals reicht es den Anwendern nicht aus, falls der Administrator einfach das Standardprogramm zum Öffnen von Multimedia-Dateien auf die Anwendung der Wahl umstellt. Eine dieser Multimedia-Lösungen stellte in der Vergangenheit das kostenlose „Windows Media Center“ (bei Windows 7 und darunter) dar.
Für Nutzer von Windows 8/8.1 ist das Media Center nicht mehr gratis verfügbar. Bei Bedarf finden es die Systembetreuer im Windows Store (für 9,99 Euro, nur für Nutzer der Versionen „Windows Pro“). Unter Windows 10 wird das „alte“ Media Center nicht mehr installierbar sein. Microsoft plant auch keine aktualisierte Version für das kommende Betriebssystem. Daher sieht sich das NT4ADMINS-Team nach geeigneten Alternativen um, falls die Anforderungen im Unternehmen ein solches Frontend (etwa für den Präsentations- oder Schulungsraum) vorsehen.
TVcentral bietet zwar viele nützliche Funktionen, die Weiterentwicklung wurde allerdings schon vor geraumer Zeit eingestellt (2009). Somit steht diese Software nur bedingt zur Verfügung, und es ist abzusehen, dass es keine Bugfixes oder Funktionserweiterungen mehr geben wird. Ein kurzer Test unter der Build 10074 von Windows 10 verläuft nach Aktivierung des NET-Frameworks (Version 2) und einer manuellen Installation von DirectX 9 positiv: Alle Funktionen stehen zur Verfügung. Live-TV, Musik-, Bild- und Filmdateien lassen sich abspielen, das Programm läuft stabil.
Anders gestaltet sich die Sache bei der Software „Media Portal“. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um eine komplette Suite. Sie kann Live-TV, Radioprogramme und Multimedia-Dateien auf dem PC abspielen. Die üblichen Verdächtigen (Plugins für Bilder, Wetterinformationen, DVDs sowie ein konfigurierbares Frontend) sind ebenfalls mit an Bord. Die Software steht exklusiv für Windows-Betriebssysteme zur Verfügung und stellt moderate Anforderungen an die Hardware (2 GHz-CPU, mindestens 1024 MByte DRAM, Grafikkarte mit 128 MByte oder mehr). Auch ein Pluspunkt: Die Software ist kostenlos, und eine große Community bietet Unterstützung und vielfältige Erweiterungsmöglichkeiten (Forum, Plugins und Skins). Wie schon bei TVcentral ist DirectX in der Version 9 eine Systemvoraussetzung für die Installation unter Windows 10 Technical Preview.
DVBViewer wird ebenfalls aktiv weiterentwickelt, und es sind unterschiedliche Versionen (Demo- Bezahl- und OEM-Varianten) verfügbar. Teilweise legen bestimmte Hersteller die Software als Dreingabe zu ihren DVB-Empfangskarten hinzu (etwa Technisat). Durch die vielen unterstützen Empfangsgeräte, PC-Fernbedienungen und Datei-Formate ist das Programm auf jeden Fall einen Blick wert. Der Hersteller stellt vor allem die ausgereiften TV-Aufzeichnungsmöglichkeiten, Timeshift-Funktionen sowie den elektronischen Programmführer (EPG) in den Vordergrund.
Haupteinsatzzweck von DVB Viewer ist folglich der eines digitalen Video-Recorders. Allerdings sind weitere nützliche Features für unterschiedliche Einsatzzwecke integriert (RSS-Feeds, Einbindung von ISO-Dateien mit Deamon-Tools, Wettervorschau und Erweiterbarkeit des Frontend über Skins). Vor dem Kauf testen die Systembetreuer diese Lösung am besten, indem sie sich eine Demo-Version herunterladen. Aktuell liegt der Preis für die Vollversion bei 20 Euro (brutto). Die minimalen Hardwareanforderungen sind ebenfalls im unteren Bereich angesiedelt (CPU mit 1,7 GHz, 512 MByte Ram, Grafikkarte der Einstiegsklasse). Auch DVB Viewer kann von den Systembetreuern unter Windows 10 ohne Probleme installiert und ausgeführt werden.
Das Kodi-Projekt ist eines der vielversprechenden Media-Center-Alternativen. Diese Software war früher unter der Bezeichnung „Xbox Media Center, XBMC“ bekannt. Um sich klarer von Microsoft und der Xbox als Hardwareplattform abzusetzen, wurde das Projekt in „Kodi“ umgetauft. Der Funktionsumfang ist im Laufe der Zeit erheblich gewachsen. Kodi unterstützt eine Vielzahl an Hardware- und Betriebssystemumgebungen.
Das Tool erfreut sich einer großen Community und wird aktiv weiterentwickelt. Daher müssen sich die Systembetreuer keine Sorgen machen, ob das System auf Windows 10 laufen wird. Über Plugins lassen sich bei Bedarf weitere Funktionen (etwa zum Abrufen von aktuellen Inhalten aus Mediatheken der deutschen Privatsender und des staatlichen Rundfunks) nachrüsten. Es stehen Youtube- sowie Soundcloud- Applikationen bereit, zudem verbinden die Systemadministratoren NAS-Laufwerke, externe Speichermedien oder Windows-Freigaben per SMB-, DLNA- oder UPNP-Protokoll. Um den Komfort zu erhöhen, legt Kodi eine eigene Bibliothek an, und listet alle erkannten Video, Audio und Bilddateien in Kategorien getrennt auf.
Hier werden auch Einträge von externen Datenbanken (wie etwa IMBD) herangezogen. Unterschiedliche Skins erweiterten das Frontend je nach User-Wunsch. Über entsprechende TV-Karten realisieren die Administratoren Live-TV. Sehr interessant ist auch die Möglichkeit, Präsentationen ablaufen zu lassen, oder das Werbevideo des Unternehmens in einer Endlosschleife im Hintergrund ablaufen zu lassen. Powerpoint wird zwar nicht nativ unterstützt, allerding lassen sich in Kodi für bestimmte Dateien externe Abspielprogramme einsetzen (etwa der Microsoft Powerpoint-Viewer). Auch ist es möglich, die Powerpoint-Dateien als JPGs abzuspeichern und diese mit Kodi abzuspielen.
Fazit
Während das Programm „TVcentral“ zwar gute TV-Funktionen bietet, schlägt es allerdings mit knapp 50 Euro pro Jahr zu Buche. Zudem eignet es sich nicht besonders als Frontend für Multimedia-Dateien im Unternehmenseinsatz, auch Powerpoint wird nicht unterstützt. Für ein bereits eingestelltes Produkt ist ein jährlicher Abopreis in dieser Höhe sicherlich überzogen. Unter Windows 10 läuft die Software zumindest.
Die beiden Multimedia-Programmen „DVB Viewer“ und „Media Portal“ rangieren in unserer Übersicht im Mittelfeld. Hierzu tragen unter anderem auch die vielen Funktionen und die Vielzahl an unterstützten Hardware- und Softwareplattformen bei. DVB Viewer versteht sich allerdings wie schon „TVcentral“ als PVR- und Live-TV-Lösung, und kommt daher für den Unternehmenseinsatz eher nicht in diesem Maße zum Tragen. „Media Portal“ dagegen ist für diesen Einsatzzweck eher zu empfehlen. Auch diese beiden Programme sind unter Windows 10 zur Mitarbeit zu bewegen.
Kodi ist der einzige Kandidat, der sämtliche Aufgabenstellungen erfüllt. Sowohl die Flexibilität, Anbindungsmöglichkeiten, Kompatibilität und Usability suchen seinesgleichen. Der betrieb unter Windows 10 stellte kein Problem dar. Sehr zu empfehlen ist ein Besuch des Kodi-Forums, hier finden sich Problemlösungen, Vorschläge und Tipps zu beinahe allen Funktionen rund um den Bereich Multimedia der Software-Suite. Ebenfalls positiv ist die Tatsache, dass Kodi komplett kostenlos erhältlich ist. Das Kodi-Frontend kann von den Systembetreuern entsprechend angepasst werden, und etwa das Unternehmenslogo als Hintergrund festgelegt werden. Generell benötigt Kodi nur sehr geringe Hardwareanforderungen, und ist auch auf Kleinstgeräten wie dem Rasberry Pi lauffähig (sogar bei Wiedergabe von Videos mit der Auflösung 1080p).
Ein weiterer Pluspunkt ist die Unterstützung der Technologie „Anynet+“. Diese kommt vor allem Nutzer von Samsung-Bildschirmen zu Gute. Denn so ist es möglich, Kodi über die „normale“ Anynet-Fernbedienung (etwa vom Samsung-Monitor, Blueray-Player oder Smart-TV) aus zu steuern. Auch hervorzuheben ist die Tatsache, dass neben Versionen für Windows, Linux, Mac OS X und BSD auch für viele Smartphones entsprechende Apps verfügbar sind. Dafür sorgt die Kompatibilität mit Windows Phone, iOS und Android. Somit stellt die Nutzung eines Smartphones oder Tablets als „Universalfernbedienung“ nicht im Wege. Die Gesamtzahl der gebotenen Funktionen macht aus dem Kodi-Projekt den wohl vielversprechendsten Kandidaten zum Ersatz des Media-Centers unter Windows 10.